Gesichtwahren

Nach wie vor geht folgendes durch unsere Köpfe: wir sehen Chinesen und denken, die sind ja so wie wir gekleidet, sprechen oftmals ganz gut deutsch (wenn wir sie hier bei uns treffen) und sind doch schon genau wie wir.

Wie aber lautet das schöne chinesische Sprichwort:

Wenn Du in ein fremdes Land kommst, so öffne Augen und Ohren und schließe den Mund.

Die Bedeutung ist einfach wörtlich zu verstehen. Die Umsetzung ist für uns nicht einfach.

Warum? Gesicht wahren soll heißen, dem anderen das Gesicht zu lassen, es nicht zu „zerstören“ und das eigene Gesicht ebenfalls nicht preis zu geben. Das gilt generell für Asien, spielt aber bei Verhandlungen mit Chinesen eine große Rolle. Es gilt hier: ob im Westen oder in China, niemand möchte gerne bloß gestellt werden.

Es wird oft gerätselt, warum in China immer gelächelt wird. Wir empfinden dieses Lächeln nicht immer als Freundlichkeit sondern empfinden dieses Lächeln als „undurchschaubar“ und vermuten etwas negatives dahinter. Richtig ist, dass es in China nicht üblich ist, aus der „Haut zu fahren“, Ärger zu zeigen. Emotionen zu zeigen ist kulturell unhöflich und wirkt sich gerade bei geschäftlichen Verhandlungen äußerst ungünstig aus.

Gelächelt wird immer und macht es Europäern nicht leicht zu deuten, was wirklich hinter dem Lächeln steckt. Gefühle werden grundsätzlich nicht preisgegeben, das wird als Schwäche ausgelegt und schadet während der Verhandlungen. Mit dem Lächeln kann beispielsweise Ärger überspielt werden. Es kann aber auch Sympathie gezeigt werden. Wichtig ist auch sich klar zu machen: Kritik in dem uns bekannten Sinn ist nicht angebracht, auch hier gilt: das Gesicht zu wahren. Genauso wenig wie seinen Ärger kund zu tun.

Respektvoller Umgang ist nur möglich, wenn wir unseren Emotionen nicht freien Lauf lassen. Harmonie ist eines der obersten Verhaltensprinzipien.

Gesichtsverlust kann durch unpassende Äußerungen oder grobe Höflichkeitsfehler passieren. Zum Beispiel wird die Visitenkarte des chinesischen Gesprächspartners als „Merkzettel“ genutzt oder in die Gesäßtasche gesteckt. Diese grobe Unhöflichkeit wird als Gesichtsverlust von dem empfunden, von dem die Visitenkarte stammt.

Angenommen ein Chinese erleidet Gesichtsverlust (zum Beispiel weil er vor versammelter Mannschaft kritisiert wurde) so fühlt er sich in seinem sozialen Ansehen und in seiner Selbstachtung beeinträchtigt. Das kann nachhaltig sehr negative Auswirkungen auf denjenigen haben, der zu diesem Gesichtsverlust beigetragen hat.

Das Gesicht wahren bedeutet, höflich sein im Umgang miteinander, das Kennen und Akzeptieren von Hierarchien und alles, was dazu beiträgt, zum Erfolg eines Geschäftes zu kommen. Natürlich gehört dazu auch, während Verhandlungen außerordentlich viel Geduld zu haben, Gelassenheit zu zeigen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Das Gesicht wahren bedeutet nicht, zu schmeicheln, sondern partnerschaftlich miteinander umzugehen.

Gerade bei der Kommunikation werden viele Fehler gemacht.

Wir pflegen die direkte zielgenaue Kommunikation, in China – wie generell in Asien – wird indirekt miteinander kommuniziert.

Durch unsere direkte Kommunikation fühlen sich Chinesen schnell unter Druck gesetzt. Die Pflege der indirekten Kommunikation ist der Schlüssel, das Gesicht zu wahren. Indirekte Kommunikation ist für uns außerordentlich schwierig, weil nach unserem Empfinden um die Sache herum geredet wird.

Die Frage ist dann, wie der Konflikt gelöst werden kann, ohne dass eine Seite das Gesicht verliert.

Beispiel: Chinesen nutzen nicht das Wort „nein“, weil sie damit preis geben könnten, von einer Angelegenheit nichts zu verstehen. Wir aber deuten diese Umschreibungen als klares „ja“ und sind dann enttäuscht, wenn unsere Erwartungshalten, die wir daraus ableiten, nicht in dem Maße erfüllt werden, wie wir uns das vorstellen.

„Bei vielen Gelegenheiten versuchen Chinesen das Spiel von Gesicht wahren und Gesicht geben durchzuführen“ (Zitat: Sung-Hee Lee).