Zitat: (NZZ vom 21.6.2008)

Das typisch Schweizerische ist für mich das historisch unbelastete Miteinander-sprechen-Können. Es gibt in der schweizerischen Geschichte keinen Diktator, der eine Hälfte der Bevölkerung verfolgt, missbraucht oder geknechtet hätte. Infolgedessen gibt es von den Geknechteten kein Ressentiment gegen die Nichtgeknechteten. Ferner: Das Land war nie geteilt; es musste nicht später (und mühsam, wenn überhaupt) wiedervereinigt werden. Wieder gab es keine Begünstigten und keine Nichtbegünstigten. Es gibt in der schweizerischen Geschichte nicht einmal einen Wüterich oder einen schlecht erzogenen Rüpel, über den die Nachfahren heute noch böse Artikel in den Zeitungen schreiben müssten. Das typisch Schweizerische ist, dass das nationale Leben ohne Schuldige auskommen darf. Es gibt in der schweizerischen Geschichte keine kollektiven politischen Irrtümer, weder vor noch nach einem Krieg, ja es gibt, wie jeder weiss, nicht einmal einen Krieg, der die einen mit ewiger Scham und die anderen mit ewiger Rache zurückgelassen hätte.

Man kann in dieser Weise fortfahren, die Liste der ausgebliebenen Zwischenfälle zu verlängern; unterm Strich kommt immer dasselbe heraus: Schweizer müssen, wenn sie miteinander sprechen, keine alten Rechnungen begleichen. Die meisten Schweizer reden nie von diesem Vorteil. Das ist es: Die Freiheit liegt in der Referenzlosigkeit ihrer Sprecher. Jeder Schweizer kann mit Sprechen dort anfangen, wo für ihn ein möglicher Anfang zu liegen scheint. Denn einen wirklichen Vorteil bringt eine Freiheit nur dann, wenn der Gebrauch dieser Freiheit bewusstlos geschehen darf.

Gelesen in der Neuen Züricher am Wochenende…… .

der trockene Kommentar meiner Schweizer Freundin:

Wie witzig - von der Seite habe ich das ja noch nie betrachtet  ;-)  Und
interessant zugleich... Vielleicht macht das wirklich was aus...